Dokumentation / Performance

Roman Johnson

Dokumentation, 2006 / 7:16 Min
Regie: Richard Wilhelmer, Kamera: Julius von Bismarck, Produktion: Björn Frederic Gerling

„Roman Johnson? He is supposed to be this crazy maverick nascar driver, right?” Das Fragezeichen im Satz von Chris Seider, New Yorker Lichtdesigner und Mitglied des Berliner Kollektivs „Eagle of Justice“ ist entscheidend. Denn Roman Johnsons Biographie ist fließend und er selbst hat darauf wohl am wenigsten Einfluss. Die lose Gruppe aus Künstlern, Schriftstellern, Grafikern, Fotografen, Slackern und Berliner Schönheiten hat den Mann erfunden. Zwar nicht zu hundert Prozent, denn eine Person namens Roman gibt es tatsächlich, dem New Yorker wurde allerdings der für testosteronschwangere Phantasien passendere Nachname „Johnson“ verpasst. Seitdem ist er Schauspieler, Frauenheld, Musiker, Sprücheklopfer und Sexsymbol – der geborene Star eben.

Daneben schult sich der amerikanische Klischeehero in europäischen Tugenden und beweist kulturellen Feinsinn auf Vernissagen. Etwa auf jener Daniella Lundstrøms, die – mehr Fama als tatsächliche Person – vom Kollektiv geschaffen wurde. Gesehen hat sie noch niemand, aber seit sie von Außerirdischen entführt wurde, meidet sie Menschenansammlungen von mehr als zwei Personen und bringt ihre Erlebnisse lieber in abstraktem Öl zum Ausdruck.

Eine Figur wie Roman „Flip“ Johnson (der Beinamen schmückt ihn wegen zahlreicher halsbrecherischer Unfälle auf der Rennstrecke) ist sicher schon so alt wie das Kino oder die Popkultur selbst und blickt auf eine lange Tradition von Outlaws zurück. Entsprechend arbeitet „Eagle of Justice“ mit wohlbekannten Effekten und Mechanismen, die dazu führen, dass aus Menschen Berühmtheiten werden.

Der Unterschied zu dem, was im Showbiz Tag für Tag und Stunde für Stunde in Knochenarbeit am Reißbrett entsteht, lässt die Arbeit der Gruppe in ihrer über- zogenen Künstlichkeit wieder zu einer authentischen Aussage über die Medienwelt geraten: Was Roman als nächstes vorhat, liegt letztendlich in den Händen eines weiten Freundes- und Sympathisantenkreises, der beispielsweise den Film „U.F.O.s above Berlin“ binnen weniger Wochen buchstäblich aus dem Boden stampften oder den Medien die Geschichte vom „crazy maverick nascardriver“ auftischen. Einmal ins Rollen gekommen, hält sich die Maschine nun von selbst in Schwung. Ein zweiter Teil von „U.F.O.s above Berlin“ ist in Arbeit, diesmal auf 35 mm Kinoformat. Roman wächst unterdessen immer mehr in die ihm auf den Leib geschneidert Rolle, gibt Autogrammstunden und marschiert als selbsternannter Botschafter des american good will durch Berlins Problemviertel und verschönert den Anwohnern den tristen Alltag mit US-Fähnchen. Auch sieht man ihn auf notorischen Promifesten, wo er mit dem heimischen Society-Adel anbändelt und so etwa mit All-Stars wie Til Schweiger im Club abhängt. Für die Menschen hinter „Eagle of Justice“ alles in allem ein schöner Erfolg, wenn dieser auch nicht Grundbedingung war: Roman Johnson gehört ihnen, und ob der Rest der Welt ihn als Star akzeptiert, ist reine Nebensache, wiewohl der Anspruch auf Breitenwirksamkeit Teil des Konzepts ist.

Roman Johnson ist eine Figur, in die Menschen ihre Träume projizieren können und am Ende des Tages tatsächlich verwirk- licht sehen. Denn: Ist es nicht egal, ob ein Parfum wirklich produziert wird, oder ein Sponsorvertrag tatsächlich besteht? Woran man glauben will, dem kann man auch vertrauen. Und Liebe und Sehnsüchte darin erfüllt sehen.