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Die Sternenkrieger von Kreuzberg
Berlin wird von Aliens bedroht – jedenfalls im Film. Die Macher arbeiten seit zwei Jahren an ihrem Werk.
Die ganze Stadt versinkt im Chaos. Der Strom ist abgeschaltet, Polizei und Krankenhäuser gibt’s nicht mehr. Aber das Schlimmste: Die Berliner haben aufgehört, sich zu waschen. Denn sie sind ferngesteuert und machen nur noch, was Außerirdische ihnen befehlen. Und die brauchen keine sauberen Erdenbürger.
Berlin ist katastrophenfilmtechnisch ja einiges gewohnt. In „Apokalypse Eis“ fror die Stadt zu, in „Tornado – Der Zorn des Himmels“ flog halb Mitte durch die Luft, zuletzt brannte in „Inferno“ der Fernsehturm ab. Jetzt kommen die Aliens: „Ufos above Berlin – final attack“ heißt das Projekt, an dem die Regisseure Daniel Etessami und Richard Wilhelmer seit zwei Jahren arbeiten.
Dabei wird es bloß ein Kurzfilm, aber was die Arbeit ziemlich ungewöhnlich macht: Es gibt weder Fördergelder noch eine große Produktionsfirma im Hintergrund, alle Beteiligten verzichten auf ihre Gage. Und trotzdem soll das Ergebnis professionell aussehen.
Zuerst war es eine Idee unter Freunden, dann hat sich das Projekt rumgesprochen, bis schließlich 150 Freiwillige mitmachten. Der Kameramann dreht sonst Werbefilme für Nokia und Porsche, als Schauspieler wurden Models und eine Mtv-Moderatorin ausgewählt. Und: Sie haben 220 000 Euro an privaten Geldern eingeworben, das ist viel für einen Kurzfilm. „Die Summe kriegen wir nie wieder raus“, weiß Wilhelmer. „Aber diese Geschichte musste unbedingt verfilmt werden.“ Auch wenn sie für Außenstehende erst mal beknackt klingt: Aliens haben Berlin versklavt, weil sie Menschen brauchen, um nicht näher spezifizierte Formulare zu stempeln. Außerirdischen-Formulare eben. Gelenkt werden die Menschen über eine Satellitenschüssel. Um Berlin zu befreien, muss also die Schüssel zerstört werden. Und davor muss erst mal ordentlich gekämpft werden.
Neben Kreuzberg wurde in Mitte, Neukölln und Marzahn gedreht. Um Kosten zu sparen, verzichteten die Macher manchmal darauf, bei den Behörden Drehgenehmigungen einzuholen – was gelegentlich zu unschönen Begegnungen führte. Einmal fuchtelten sie auf einem Dach mit einer nachgebauten Panzerfaust herum. „Bis die Polizei anrückte“, sagt Richard Wilhelmer. „Über die Dächer und durchs Treppenhaus, das war unangenehm.“ Die Anwohner hätten meistens entspannt reagiert. „Man merkt, dass Berlin eine Filmstadt ist. Die Leute irritiert nichts mehr.“ Nicht mal Feuergefechte in Zombie-Outfits.
Richtig Stress hatten die Macher wegen Tom Cruise. Der brauchte für seinen „Walküre“-Dreh vergangenes Jahr sogenannte Bodysquips, das sind kleine Fernzünder, die Schauspieler am Körper tragen und die auf Knopfdruck Kunstblut verspritzen. „Cruise hat einfach den ganzen Markt in Deutschland leergekauft.“ Aber wie soll man gegen ferngesteuerte Menschen kämpfen, ohne dass zumindest ein bisschen Kunstblut spritzt?
Gut, dass es Computer gibt. Gerade sitzen die Regisseure an den Rechnern und fügen alles in den Film ein, was Berlin später postapokalyptisch aussehen lassen soll: Autowracks, abgestürzte Flugzeuge, verschmutzte Häuserwände. Außerdem müssen sie die Endversion unter der 15-Minuten-Marke halten, damit der Streifen Chancen hat, auf den großen Filmfestivals gezeigt zu werden. Der Premierentermin steht noch nicht fest, den geben sie auf ihrer Seite www.ufos aboveberlin.com bekannt. „Vielleicht läuft unser Film auch auf Arte oder 3Sat.“ Die Sender wissen aber noch nichts von ihrem Glück.
Sebastian Leber