Ray – Filmmagazin (Print)
Printausgabe vom Oktober 2011
Beziehungskarussell mit tragischem Ausgang
Über dem idyllischen Landhaus prangt die Gartenschere, welche die Namen der Schauspieler jeden Moment zu malträtieren droht. Schon das Filmplakat von Adams Ende spielt mit Antagonismen, dreht und wendet sie wieder Plot selbst: Hier die nahezu sorgenfreie Welt der Titelfigur (Robert Stadlober), deren Fotografen-Job genügend Zeit zum Tagträumen lässt, dort die kriselnde Langzeitliaison mit Anna. Auch Adams Kumpel Conrad (David Winter) kämpft mit dem Auseinanderklaffen seiner Möglichkeiten und der Ist-Situation. Seine letzte Beziehung liegt Ewigkeiten zurück, die Chancen auf einen ausfüllenden Job sind gleich null – und doch genießt er das Loslassen. Und kommt noch Annas Freundin Carmen ins Spiel.
Wiewohl der Großstadtmoloch Berlin Raum für soziale Milieustudien hergegen hätte, interessiert sich Richard Wilhelmer in seinem Langfilmdebüt mehr für das emotionale Chaos seiner Protagonisten und die daraus resultierenden Konsequenzen. Die Gegeüberstellung von einem frustrierten Nebeneinanderleben einerseits und dem Funkenflug des Verliebtseins andererseits birgt bereits jede Menge Zündstoff in sich. Zur Explosion treibt es der Film, wenn die vier Jugendlichen im idyllischen Haus am See gemeinsam Urlaub machen. Der Regisseur baut hier ganz auf die Kraft der Körpersprache. Adam, Anna, Conrad und Carmen scheinen unfähig, ihre sexuellen und zwischenmenschlichen Wünsche zu artikulieren. Da sitzen sie schweigend am Tisch, und doch ist – wie bei Denkblasen im Comig – offenkundig, was jeder am liebsten zu seinem Gegenüber sagen möchte: Conrad ist rasend eifersüchtig auf Adam, der dessen Eroberung Carmen heftige Avancen macht: Anna wiederum erträgt Adams Gefühlskälte nicht; und Carmen fühlt sich von Conrads Liebesbekenntnissen arg überrumpelt. Es kommt zur Eskalation und zum Bruch der Freundschaften. Mimik und Gestik haben die Rolle des Wortes übernommen; eine im verbal dominierten Gegenwarts-Kino selten gewordene Darstellungstechnik, die vom Ensemble hervorragend übersetzt wird.
Kaum, dass Wilhelmers Figuren socherart in die emotionale Isolation torkeln, biegt der Film unvermutet ab in die Weiten eines Psychothirllers: Plötzlich ist Carmen verschwunden. Misstrauen und böse Vorahnungen reißen einen Graben auf, der nicht mehr zuzuschütten ist. Zugegeben, die diversen Genreüberschreitungen sind nicht ganz sauber umgesetzt. Nichtsdestotrotz ist Adams Ende eine Wohltat in der Eintönigkeit der filmischen Beziehungskisten. Und das Ende wartet sogar mti einer Überraschung auf. – Reinhard Radatsch