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Wilhelmers Anfang

fm4, 19. 10. 2011 / Maria Motter

Wenn der Rasentraktor einen Maulwurf köpft: “Adams Ende”, das Spielfilmdebüt von Richard Wilhelmer, treibt boboeske Tristesse auf die Spitze.

Eine Gartenschere am Anfang verheißt Gutes, das hat mich Johnny Depp gelehrt. Wenn einer Ordnung in die Natur bringen will, steht ein Kräftemessen an. Das war es dann meist mit der Idylle. “Adams Ende” macht da keine Ausnahme. So alltäglich wie sich das Leben der Mittzwanziger in Richard Wilhelmers erstem Langfilm darstellt, wird es nicht bleiben: Adam und Anna sind seit Ewigkeiten zusammen. Als Adam seinen Freund Conrad wieder trifft, will er mit ihm in den Urlaub fahren. Freundin Anna ist begeistert von der Idee, packt ihre Reisetasche und lädt noch Carmen ein, der wiederum Conrad zugeneigt ist. Weil Kreuzberg in Berlin und nicht am Meer liegt, ist das Ziel ein elterlicher Ferienbungalow an einem See. So weit und so hinreichend aus dem deutschen Gegenwartskino bekannt ist die Ausgangslage.

Die Lieben und Leiden junger Leute im Westen von heute dirigieren das Kammerspiel “Adams Ende”. Doch Regisseur Richard Wilhelmer begnügt sich nicht mit Sehnen und Suchen. Leise und bestimmt schleicht sich die Eifersucht in bewährte Beziehungsmuster ein und zieht Suspense nach sich. “Adams Ende” biegt in den letzten zwanzig Minuten vom Beziehungsdrama plötzlich ab und streift das Genre Psychothriller.

Psychogramme junger Leute von heute

Dachterrassenpartys und hippe Hausmütterchenkleidchen können von Anfang an nicht darüber hinwegtäuschen: Hier liegt etwas im Argen. Für Außenstehende führen Anna und Adam die perfekte Beziehung. Aber im Innersten richten sie sich in ihrem zweisamen Nebeneinander zugrunde. Anna versteckt Süßigkeiten in der Spüle und ist des Öfteren länger im Bad. Sex könnte man im Urlaub haben, da gehört er ja irgendwie dazu. Robert Stadlober als Adam muss sein Dasein zu eng werden wie die Pullunder und kurzen Hosen, die er trägt. Nach wem er sich sehnt, zeigen die Fotos auf seinem Laptop am Arbeitsplatz in der Agentur. Conrad (David Winter) hat einen Job als Bademeister, eine kleine Wohnung und niemanden, für den es sich lohnt, einmal so richtig aufzuräumen.

Ironie statt Moral

Richard Wilhelmers Erzählstil ist nicht geschwätzig. Der 27-Jährige studiert nach dem Besuch der Grazer Ortweinschule an der Berliner Universität der Künste. Geschnitten hat er “Adams Ende” während seines Stipendienjahres in Los Angeles.

Der Braten brutzelt im Rohr, der Esstisch ist gedeckt und in leeren der Badewanne spritzt Wasser aus dem Brausekopf. Anna drückt sich Zahnpasta auf ihre Zahnbürste. Kaum ein Film zuvor hat das Monster Bulimie so präzise beschrieben, selbstverständlich nebenbei und ohne “Armes-Hascherl”-Kommentar. Interpretationen überlässt Wilhelmer dem Publikum und moralische Kategorien interessieren ihn herzlich wenig. Vergnüglich ist die Ironie, die in den wenigen Dialogen aufblitzt.

Idylle imitieren

“Adams Ende” bietet Erzählkino, das mit konditionierten Erwartungshaltungen von KinobesucherInnen zu spielen versucht. Anders als in seinen Kurzfilmarbeiten musste sich Wilhelmer dabei auf die Dramaturgie konzentrieren, denn die Fiktion mit technischen Tricks wie in seinen Kurzfilmen zu feiern, das wäre schlicht unbezahlbar gewesen. Nicht Low-Budget, sondern “No Budget” gab es für “Adams Ende”, konkret 2000 Euro Kulturförderung des Landes Steiermark. Da war Robert Stadlober ein ausgezeichneter Partner in Crime.

Bereits in Wilhelmers Kurzfilm “The Golden Foretaste of Heaven” war Stadlober zu sehen. Tausend Fotos packte Wilhelmer 2009 in die Sci-Fi-Arbeit, die ohne großen Plot rein durch ihre Ästhetik amüsierte und beeindruckte. Trümmerfrauen einer fernen Zukunft blickten aus ihren Modelgesichtern Panzerglas auf ein menschenleeres Berlin. Die Begleitmusik kam von Alec Empire.

In “Adams Ende” hört man Bach, Klaus Nomi und Rio Reiser. Zuviel Pop darf nicht sein, American Apparel hätte nicht nur das nicht vorhandene Budget gesprengt und Berlin rückt als Schauplatz in den Hintergrund.

Experimentieren will er, erzählen kann er. Besonders toll etwa, wenn eine Szene von einem Tagtraum Conrads direkt in Annas Alptraum übergeht. Die gute Nachricht ist: Richard Wilhelmer schreibt derzeit an zwei weiteren Filmen.