Celluloid Filmmagazin (Print)
“MADE IN AUSTRIA” – Cover (September/Oktober, 2011)
Artikel:
Gemeinsame Grillabende, Schwimmen, Flirten, ein wenig Liebeskummer, in den Tag hineinleben – der Alltag der Protagonisten in “Adams Ende” scheint auf den ersten Blick idyllisch. Wie schnell sich die scheinbare Harmonie ändern kann, zeigt Richard Wilhelmer (“Strange Love”, “The Golden Foretaste of Heaven”) in seinem ersten Spielfilm. Angesiedelt in der deutschen Hauptstadt Berlin hat der junge steirische Regiseeur ein “Coming-of-Age”-Drama geschaffen, das durch seine intensive Figurenzeichung besticht. Adam (Robert Stadlober) lebt zwischen Parties, One-Night-Stands, sowie dem emotionalen Hin und Her zwischen Jugendliebe Anna (Eva-Maria May), Freund Conrad (David Winter) und Annas bester Freundin Carmen (Paula Kalenberg). Doch “Adams Ende” zeigt weit mehr: Die Suche nach der eigenen Identität, den Sinn des Lebens und die Angst junger Menschen vor der Zukunft. Scheint Adam sich für all diese Themen zu Anfang des Films nicht zu interessieren, wird die tatsächliche Problematik seines Lebens mit Fortschreiten des Films deutlicher. Klaustrophobische Momente nehmen mehr und mehr zu, jede neue Bekanntschaft wird als Bedrohung wahrgenommen, Emotionen gewinnen eine Bedeutung, die über das Normale hinausgeht. All dies zeigt Kameramann Julius von Bismarck in Bildern, die dem sich verändernden Innenleben des Figuren-Quartetts folgen. Einer erst klaren visuellen Umsetzung folgen stark variierende Perspektiven und wiederkehrende Szenen, die zu einem überraschenden Ende führen. (Sandra Wobrazek)
Interview mit Richard Wilhelmer:
In “Adams Ende” geht es (auch) um Selbstfindung und Identität, vor allem in Hinblick auf die Projektion der eigenen Person im Partner. Welches Konzept stand am Beginn der Geschichte?
Des Einen Leid ist des Anderen Leid. Hauptsächlich ging es mir um die Beziehung der beiden Freunde Adam und Conrad. Sie verkörpern zwei unterschiedliche Lebensentwürfe und jeder scheint den Anderen darum zu beneiden. Adam lebt in einer hübschen Altbauwohnung in fester Beziehung und arbeitet als Designer. Vom wilden Leben in der hippen Großstadt steht nur noch die Fassade. Conrad hingegen ist so eine Art Großstadt-Peter Pan. Er lebt sozusagen von einer Party zum nächsten One Night Stand. Ergo: Dem Einen fehlt was der Andere vermeintlich hat. Ein sehr klassisches Dilemma und Luxusproblem. Natürlich geht es dabei auch sehr wesentlich um Identität. Identitäten begründen sich ja in gewisser Weise auf Merkmale die einen von Anderen unterscheiden. Das ist der wesentliche Prozess der Pubertät. Berlin ist ein bisschen symbolisch dafür so eine Art urbaner Jungbrunnen zu sein, wo Alter keine Rolle spielt und jeder immer alles machen darf. Wenn es sonst keine Probleme gibt, muss man sich eben selbst welche schaffen, so banal sie auch sein mögen. Nur um ja nicht erwachsen zu werden.
Welche Rolle spielt die Sexualität Adams für seine zwischenmenschlichen Beziehungen? Ist sie gar der Schlüssel zum Ausbruch aus seiner naiven, pubertären Verfassung?
In diesem Fall ist es eher umgekehrt. Probleme mit Sex sind oft ein unangenehmes Symptom für ein größeres Problem. Adams Frust gilt seinem Lebenswandel, hin zu einer verkappten Kleinbürgerlichkeit. Die Andeutungen einer sexuellen Anziehung zu Conrad unterstreichen dabei die Suche nach seiner Identität.
Du erwähnst in deinem Presseheft den Ausdruck der “endlosen Post-Pubertät”. Willst du mit “Adams Ende” auch ein weithin gültiges Bild der Generation deines Alters zeichnen?
Ich glaube ein weithin gültiges Bild einer ganzen Generation zeichnen zu wollen, wäre ein bisschen zu ambitioniert. “Adams Ende” zeigt einen gewissen Aspekt einer ewigen Jugend in einem bestimmten Kontext. Abgesehen davon, dass die sogenannte westliche Welt mittlerweile ohnehin von vielen verdrängten Problemen eingeholt wird, konnte man sich sehr lange auf eine gewisse Unbeschwertheit verlassen, die vor allem auf Wohlstand begründet ist. Man studiert halt irgendwas, oder macht irgendwas kreatives. So ähnlich hat es ja auch mich selbst nach Berlin verschlagen. In der Fülle von Möglichkeiten fällt es oft schwer den Überblick zu behalten oder sich wirklich für einen Weg zu entscheiden. Der Ausdruck Post-Pubertät lag nahe und löst irgendwie die richtigen Bilder im Kopf aus. Den Schauspielern und Schauspielerinnen habe ich manchmal gesagt, sie sollen sich ein bisschen wie kleine Kinder verhalten. Ein Konzept, dass sich übrigens bis ins Kostüm durchgezogen hat. Ich habe versucht Szene-Merkmale auszuklammern und die Protagonisten in einigen Momenten etwas albern aussehen zu lassen.
Der Tonfall der Erzählung ist leichtfüßig, wandelt sich aber bald beinahe in Richtung Psychodrama. Trotzdem hast du darauf geachtet, nicht in großes Drama zu verfallen. Wie gelingt dir diese Balance?
Adams Ende ist mein erster langer Film. Bei meinen beiden Kurzfilmen davor ging es unter Anderem sehr stark um den visuellen Aspekt, jetzt lag der Fokus vor Allem auf der Form der Erzählung. Ich habe versucht, unterschiedliche filmische Sprachen anzuwenden. Das ist natürlich riskant, weil man dabei sehr stark mit Konditionierungen und einer gewissen Erwartungshaltung des Zuschauers hantiert. Ich fand es trotzdem spannend diesen Faktor mit ein zu beziehen und sozusagen den Tonfall über den Verlauf des Films stetig zu verändern. Der Schluss ist dann sehr überspitzt und bricht wieder mit dem ernsten Ton. Da schließt sich dann wieder der Kreis mit der humorvollen ersten Hälfte.
Worauf hast du in der Dramaturgie besonders geachtet, um die Vierer-Konstellation der Figuren glaubhaft zu machen, in Rhythmus, Sprache, Tempo?
Ein großer Vorteil beim Schreiben des Drehbuchs war, dass die Schauspieler bereits fest gestanden sind. Viele Szenen konnten wir in diesem Prozess bereits gemeinsam besprechen und erarbeiten. Ein weiteres großes Glück war wie gut sie in ihren Rollen harmoniert haben. Vor Allem bei komplexeren Szenen und Dialogen mit allen Vieren gab es dadurch viel Raum für Improvisation, wovon der Film wesentlich profitiert hat.
Der Film wurde für sehr wenig Geld gedreht. Hat die Mitwirkung von Robert Stadlober geholfen, den Film trotzdem zu realisieren? Wenn ja, wie?
Robert hat bereits bei meinem ersten Kurzfilm mitgespielt. Nebenbei hat sich aber vor Allem eine tolle Freundschaft zwischen uns entwickelt. Nach der Premiere von jenem Kurzfilm “The Golden Foretaste of Heaven” auf der Diagonale 2009 haben wir darüber gesprochen, mit David Winter, der ja Conrad spielt und meinem guten Freund und Kameramann Julius von Bismarck in Urlaub zu fahren. Ich hatte bereits das Konzept für Adams Ende und habe vorgeschlagen, stattdessen gemeinsam diesen Film zu drehen. Die wenigen Euro, die einen fünfstelligen Betrag bei Weitem nicht erreicht haben, haben wir aus unserem privaten Geld zusammen geschmissen und eine kleine Förderung der CineStyria bekommen. Der Rest wurde über Sponsorings und Kooperationen erledigt die ohne Robert wohl nicht möglich gewesen wären. Ich bin ihm sehr dankbar, mit mir an die Umsetzung dieses Films geglaubt zu haben. Dieser Dank gilt aber ebenso jeder einzelnen Person, die daran weit über den üblichen Rahmen mitgewirkt hat. Wenn einmal nicht Not am Mann geherrscht hat, war das eher die Ausnahme und so haben Schauspieler Stative gebaut oder der Tonmeister gekocht.
Du hast viele Aufgaben im Alleingang realisiert: Drehbuch, Regie, Schnitt, etc. Aus Personalmangel oder aus Kontrollwunsch?
Wie schon angedeutet hatten wir nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Es ist gut in vielen Bereichen selbst den Überblick zu behalten und mir gefällt jeder Bereich von Kamera bis zum Kostüm. Unter zu vielen Aufgaben leidet irgendwann die Qualität und einige Aufgaben am Set hätte ich dann doch gerne unserer Fantasie-Crew überlassen. Es hat sich aber richtig angefühlt, diesen Film zu drehen und ich bin froh, dass wir es gemeinsam geschafft haben und der Film jetzt im Kino zu sehen sein wird. Natürlich ist es problematisch, Filme auf diese Weise zu drehen weil man die Beteiligten und sich selbst dabei ausbeutet. Ich hoffe einen nächsten Film unter besseren Bedingungen verwirklichen zu dürfen.
Das Bild von Berlin, das du zeigst, ist angenehm unaufgeregt: Eine Großstadt, ohne Großstadt-Flair, ohne Stress und Hektik. War diese angenehme Ruhe, die dadurch über einem Gutteil des Films liegt, so geplant?
Eine entspannte Stimmung in Berlin zu erzeugen ist tatsächlich nicht so schwierig. Es stimmt aber, dass ich darauf besonderen Wert gelegt habe. Vor Allem um zu zeigen wie wenig existenzieller Druck im Leben der Protagonisten herrscht.
Welchem Credo folgst du als Filmemacher? Was (und wen) willst du mit deinen Filmen erreichen?
Es gibt viele spannende Themen, über die ich gerne einen Film machen möchte. Genauso gibt es viele spannenden Möglichkeiten Filme zu machen. Genau das habe ich bislang versucht. Mein Kurzfilm “The Golden Foretaste of Heaven” war eine parodistische Annäherung an Science Fiction. Adams Ende spielt in unserer realen Welt und wird vom Beziehungs- zum Psychodrama. Derzeit locken mich aber wieder etwas verträumtere Welten. Vielleicht so ein Bisschen die Quintessenz aus Beidem.
Hast du Vorbilder aus dem Weltkino, die dich inspirieren?
Nach all dem Rummel um seine Person klingt es vielleicht aufgelegt, aber ich bin ein großer Fan von Lars von Trier. Da gäbe es einige nennenswerte Filme, aber Melancholia hat mich richtig neidisch gemacht.