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So (un-)glücklich ist Wien: Ein Smiley misst die Stimmung
Richard Wilhelmer hat mit zwei Berliner Kollegen ein Kunstwerk entworfen, das von Gesichtern Emotionen abliest. Erschreckend, wie sie finden.
09.02.2014, TERESA SCHAUR-WÜNSCH
Es war das erste Haus am Wienerberg: direkt an der Triester Straße, das helle, das sich mit seiner Sechzigerjahre-Architektur vor den modernen Bürotürmen abhebt. Heute ist es ein Geisterhaus. Seit die Firma Philips hier ausgezogen ist, steht das Haus leer. Was nicht heißt, dass es keinen fröhlichen Eindruck auf die Autofahrer machen kann, die sich von Süden her der Stadt nähern – oder sie über den Wienerberg gerade verlassen.
Das hängt allerdings von der Stimmung ab, die in Wien gerade herrscht. Davon, ob die Menschen glücklich, traurig oder wütend sind. Dementsprechend schaut der Smiley auf dem Dach des Hauses nämlich drein. Dahinter stecken die Berliner Künstler Julius von Bismarck und Benjamin Maus und der Österreicher Richard Wilhelmer, alle drei Absolventen der Berliner Universität der Künste (UdK). In der ganzen Stadt haben sie Kameras versteckt, die in den Gesichtern der Wiener lesen– und die Ausdrücke in Echtzeit auf den leuchtenden Smiley übertragen. Gezeigt wird dann der Durchschnitt der aktuellen Stimmungslage.
Software interpretiert Gesichter
Vor fünf Jahren haben die drei Künstler zum ersten Mal von dieser Software gehört, die Emotionen von Gesichtern ablesen kann. „Der Legende nach wurde sie entwickelt, um Verbrechen präventiv zu bekämpfen“, sagt Wilhelmer. „Wir fanden es erschreckend, dass die Überwachung so weit geht, quasi in uns hineinzuschauen.“ Für das Kunstprojekt bekamen sie vom Erfinder, dem Fraunhofer-Institut, den zugrunde liegenden Algorithmus und begannen, damit zu spielen.
Erstmals zu sehen war ihr Smiley in Berlin, damals nur als großes Display. Für eine Ausstellung in Lindau am Bodensee bauten sie dann die acht Meter hohe Lichtskulptur aus Neonröhren und Stahl („Public Face II“), die das vergangene Jahr wieder in Berlin, im Kreativareal Malzfabrik, verbrachte. Vor nicht einmal drei Wochen erreichte die Künstler schließlich der Anruf aus Wien, wo der neuen Agentur Wiener Räume gerade das leer stehende Philipshaus zur Verfügung steht. Wider Erwarten gelang die kurzfristige Übersiedlung mittels Gabelstapler und Kran.
Datenschutzrechtlich, sagt Wilhelmer, sei das Projekt unbedenklich. „Die Bilder werden nicht gespeichert.“ Bisher seien die Reaktionen ausschließlich positiv gewesen. „Das Schöne an einem Smiley ist, dass man darauf ja auch reagiert. Gleichzeitig waren die Leute auch erschrocken, und haben begonnen, sich zu fragen: ,Was passiert, wenn auch unsere Gefühle nicht mehr privat sind?‘“ Es sind Fragen wie diese, die den 30-Jährigen beschäftigen. „Was ist normal? Was sind unsere Wünsche, und wie entstehen sie?“ Dazu gehöre auch die Frage, wieso heute überhaupt jeder glücklich sein muss. Welches Medium ihm am besten behilflich ist, wird von Fall zu Fall entschieden. Als Zaungast sieht er sich, beim Film wie in der Kunst.
Zehn Jahre ist es her, dass der Judenburger nach der Schule über Nacht nach Berlin ging, und dort von der Partyszene erst einmal so verschluckt wurde, dass er die Aufnahmeprüfung an der UdK verpasste. Im freien Jahr kam er auf die Regie; der damals entwickelte, hoch aufwendige Kurzfilm „U.F.O.s above Berlin“ wurde erst vor Kurzem fertig. Seinen ersten Langfilm drehte Wilhelmer, der in Los Angeles auch Regie studierte, dafür mit geringstem Aufwand. Statt mit Schauspieler Robert Stadlober und Julius von Bismarck auf Urlaub zu fahren, produzierten sie das Beziehungsdrama „Adams Ende“, das zu seiner Überraschung auf Festivals lief, ins Kino kam und beste Kritiken erhielt.
Gern erinnert er sich auch an die Performance „Roman Johnson“, die im gleichen Dunstkreis entstand: Ein New Yorker Freund wurde als berühmter Nascar-Driver ausgegeben und beehrte Society-Veranstaltungen als Promigast. Überhaupt konnte jeder sein, was er wollte. „Model, Designer, Rockstar, jeder hatte ein Pseudonym.“ Es habe eine Weile gedauert, bis die Berliner die Maskerade durchschauten.
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 10.02.2014)
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